Sonntag, 14. Juni 2020

Die Zerstörung des Waaghauses von Villarepos

Von Barbara Schaller


101 Jahre lang stand das kleine quadratische Häuschen, das sogenannte «Poids public», im Dorfzentrum von Villarepos. Eingebettet zwischen der Kirche und dem Dorfbrunnen. Für Generationen von Menschen war es ein vertrauter Anblick. Das Waaghaus war schon an seinem Platz, als die Milch noch mit Ross und Wagen zur Käserei gebracht wurde, und lange bevor die ersten Autos und Traktoren durch das Dorf fuhren. Ein charmantes Relikt aus einer vergangenen Zeit, ein Stück Dorfgeschichte, das vielen Stürmen getrotzt und selbst den Abbruch der benachbarten Dorfkirche überlebt hat. Die Waaggrube hat man vor Jahren mit Bauschutt und alten Grabsteinen aufgefüllt. Die Einheimischen von Villarepos sind nie zimperlich mit ihrem Kulturgut umgegangen und die meisten Ofenhäuser und die Mühlen sind leider verschwunden. Umso bemerkenswerter ist es, dass das Waaghaus so lange überlebt hat.


                  Foto: andreas-mathys.com


Das Waaghaus war von seinem Standort her auch ein Ort der Begegnung für all diejenigen, die zu Fuss unterwegs sind bzw. waren und es war verknüpft mit vielen persönlichen Erinnerungen an Gespräche, die in seinem Schatten auf der kleinen Sitzbank geführt wurden. Es war auch die letzte verbliebene "Pinwand" im Dorf und Vereine haben ihre Plakte dort aufgehängt, Teenager haben sich als Babysitter empfohlen und besorgte Tierbesitzer haben dort hoffnungsvoll ein Foto ihrer vermissten Katze befestigt.

Darüber hinaus hat es auf natürliche Weise den Verkehr im Dorfzentrum verlangsamt, weil man wegen des Rechtsvortritts nicht achtlos daran vorbeifahren konnte. Es war ein Markenzeichen von Villarepos und eines der letzten noch existierenden Waaghäuser im Kanton Freiburg. 101 Jahre lang.



 Foto: andreas-mathys.com


An einem trüben regnerischen Dienstagmorgen am 9. Juni 2020 ist seine Geschichte jäh zu Ende gegangen. Zwei auswärtige Männer haben sein Schicksal besiegelt: ein Ingenieur aus Murten und ein Landwirt aus Bärfischen, der erst seit kurzem im Gemeinderat von Courtepin sitzt und für das Ressort Strassenbau verantwortlich ist, tragen die Hauptverantwortung für seine Zerstörung. Beide Herren haben mit Villarepos nichts am Hut, haben nie in diesem Dorf gelebt, haben offenbar nicht das geringste Verständnis für Kulturgut und begreifen nicht, welche Bedeutung dieses kleine Häuschen für viele Bewohner von Villarepos hatte.

Wie konnte es soweit kommen? Das Unheil begann damit, dass der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Villarepos, die seit Januar 2017 Teil der Gemeinde Courtepin ist, die Idee hatte, die Sanierungsarbeiten der Kanalisation im Dorfzentrum dafür zu nutzen, den Verkehr zu beruhigen und die Ortsdurchfahrt aufzuwerten. Das ganze nennt sich "Valtraloc", was soviel bedeutet wie «Valorisation des traversées de localités». Die Idee dahinter ist wohl, die Strasse zu einem "Begegnungsort" für die ganze Bevölkerung zu machen ...

Dieser Plan bzw. dessen Umsetzung ist im Fall von Villarepos gründlich schief gelaufen. Die Planung wurde einem Murtener Ingenieurbüro übertragen, dessen Inhaber vorsichtig ausgedrückt kein "Flair" für historische Bausubstanz hat. Mit der Aufwertung der Durchfahrt durch das geschützte (!) Dorfbild verbindet er im wesentlichen den Ersatz der historischen Infrastruktur. Zauneinfassungen und alte Bordsteine müssen weichen und werden durch vorfabrizierte seelenlose Strassenbauelemente und ausländische Granitblöcke ersetzt. An der Stelle des historischen Waaghauses soll Gerüchten zufolge der Asphalt gelb eingefärbt werden. Wie diese Zone genau aussehen soll, wissen jedoch nur der Ingenieur und der Gemeinderat, da die Pläne offenbar laufend abgeändert werden und die Einsicht verwehrt wird mit dem Hinweis, das sei alles so bewilligt worden. Ein Beispiel dafür ist die "Insel" aus geschliffenem Granit, die den historischen Dorfbrunnen verschandelt hat und auf den bewilligten Plänen sicher nicht eingezeichnet war. Sie musste inzwischen nach einer Ortsbesprechung mit dem Kulturgüteramt wieder entfernt werden! Mehr dazu in einem nächsten Blogpost.

Im Juli 2016 fand eine Ausschreibung für die Versetzung der Bushaltestelle im Rahmen von Valtraloc statt. Wer die Pläne konsultieren wollte, konnte dies an zwei Dienstagnachmittagen während anderthalb Stunden im ehemaligen Gemeindebüro von Villarepos tun oder sich nach Murten ins Oberamt begeben. Das Büro der Gemeindeverwaltung war während der Zeit der Publikation zwei Wochen lang geschlossen und die meisten Leute werden die Ausschreibung mitten in den Sommerferien ohnehin verpasst haben. Nicht so das Ehepaar Boschung, das seit zwanzig Jahren im ehemaligen Wagnerhaus im Dorfzentrum wohnt und sich mit grossem persönlichen Engagement für den Erhalt und die Wertschätzung der historischen Kulturgüter einsetzt und dafür von den Einheimischen oft angefeindet worden ist. Es hat sich die Mühe gemacht, die Gesuchsunterlagen zu konsultieren und hat entdeckt, dass das "Poids public" auf den Plänen des Ingenieurs einfach nicht mehr eingezeichnet war! Jeder andere hätte übersehen, dass das kleine Viereck im Dorfzentrum auf den Plänen fehlte. Es erhob Einsprache gegen die geplante Umsetzung von Valtraloc und verlangte den Erhalt des Waaghauses im Dorfzentrum.

Wieso sich niemand von den Einheimischen für das historische Waaghaus stark gemacht hat, ist für mich nur schwer nachvollziehbar. Auch der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Villarepos wollte das "Poids public" aus unerfindlichen Gründen weghaben. So wie er einige Jahre zuvor schon den Abbruch des alten Dorfbrunnens beschlossen hatte. Die heutige Vertreterin von Villarepos im Gemeinderat von Courtepin war damals schon Teil des Gemeinderats und hat sich nie dazu geäussert.

Schliesslich einigte man sich darauf, das Häuschen mitsamt der unterirdischen Installation sorgfältig abzubauen und etwa fünfzehn Meter weiter östlich auf die Grünfläche vor dem Friedhof zu versetzen. Es wurde eine schriftliche Vereinbarung aufgesetzt und das Ehepaar Boschung zog die Einsprache zurück. Diese Lösung wurde jedoch von den alteingesessenen Nachbarn und wohl auch von der Kirchgemeinde nicht goutiert und es wurden dem Vernehmen nach mehrere Einsprachen gegen die Versetzung des Waaghauses eingereicht, die bis heute nicht beantwortet wurden. Gar von Störung des Totenfriedens war die Rede ...

Der zuständige Gemeinderat machte indes den Vorschlag, das historische Waaghaus auf den Spielplatz neben dem Fussballplatz zu versetzen! Dann hätte es seiner Meinung nach wenigstens eine Funktion. Soviel zu seinem Kulturverständnis.

Diese Woche ist dem hemdsärmligen Gemeindrat nun der Geduldsfaden gerissen und er hat einen folgenschweren Entschluss gefasst. «Fertig verhandelt! Das Hüsli muss weg!» Mit diesen Worten hat er das Ehepaar Boschung, dessen Engagement wir unter anderem den Erhalt des Dorfbrunnens verdanken, an Ort und Stelle abgekanzelt und behauptet, es gäbe eine gültige Abbruchbewilligung. 

Im vollen Wissen darum, dass der Abbruch des Waaghauses höchst umstritten ist, hat der zuständige Gemeinderat am 9. Juni 2020 morgens um sieben Uhr der Strassenbaufirma, die seit September 2019 im Dorfzentrum am Werk ist, grünes Licht für die Zerstörung des historischen Waaghauses gegeben. Dank dem Begehren einer renommierten Anwaltskanzlei erliess das Oberamt um 11 Uhr 45 einen Baustopp. Doch es war zu spät. Auch die herbeigerufene Polizei konnte nichts gegen den Abbruch ausrichten.

Aus dem vereinbarten sorgfältigen Abbau wurde ein brutaler Abbruch. Der verantwortliche Gemeinderat und seine Helfershelfer gehen als Totengräber des Waaghauses in die Geschichte von Villarepos ein. 


Gemeindrat und Ingenieur freuen sich über den Abbruch des Waaghauses ...

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Angeblich soll der Abbruch im Jahr 2016 bewilligt worden sein! Es deutet jedoch einiges darauf hin, dass der Abbruch widerrechtlich war! Im Amtsblatt des Kantons Freiburg wurde nie ein Abbruchgesuch publiziert. 

Das Waaghaus ("Poids public") ist zudem (bis heute!) auf der Liste der geschützten Kulturgüter im Anhang zum Gemeindereglement von Villarepos aufgeführt! Und zwar sowohl auf dem revidierten Gemeindereglement, das im Rahmen der Revision des Ortsplans von Villarepos am 9. September 2016 im Amtsblatt (Feuille officielle) Nr. 36 veröffnetlicht worden ist, also auch in der überarbeiteten Version, die im Amtsblatt Nr. 44 vom vom 3. November 2017 auf Seite 1693 publiziert worden ist.

Beide Versionen des revididerten Gemeindereglements sind auf der Website der Gemeinde Courtepin aufgeschaltet. Die neuere Version trägt das Datum "28 septembre 2018"! Sie ist offensichtlich nach der zweiten Publikation im Amtsblatt vom 3. November 2017 noch weiter überarbeitet worden und am 28. September 2018 zum dritten Mal publiziert worden. Auch in dieser aktuellsten Version des Baureglements der Gemeinde Courtepin für den Sektor Villarepos ist das Waaghaus auf der Liste der geschützten Güter in der Kategorie 2 (von 3) aufgeführt!




Wenn niemand innert Frist gegen den Schutz des Waaghauses Einsprache erhoben hat, ist gemäss meinem Rechtsverständnis davon auszugehen, dass dieser Entscheid nicht mehr angefochten werden kann und somit rechtskräftig wäre! 

Wie also ist es möglich, dass der Gemeinderat und der mit der Ausführung der Arbeiten beauftragte Ingenieur behaupten, im Besitz einer gültigen Abbruchbewilligung aus dem Jahr 2016 zu sein, wenn das Häuschen auf der Liste er geschützten Kulturgüter von Villarepos steht?!

Hat der Gemeinderat der ehemaligen Gemeinde Villapos womöglich für den Abbruch des Waaghauses nur ein kleines Baugesuch eingereicht? Diese Art von Baugesuchen, die man für die Errichtung eines kleinen Gewächshauses oder einer Pergola einreicht? Solche Gesuche werden nicht im Amtsblatt publiziert, sondern nur im Glaskasten der Gemeindeverwaltung ausgehängt und deshalb von den meisten Bürgern übersehen. Ein solches Vorgehen wäre klar rechtswidrig, denn bei einfachen Gesuchen entscheidet die Gemeinde selber über die Einsprachen. Es liegt auf der Hand, dass die Gemeinde nicht gleichzeitig Gesuchstellerin und Kontrollinstanz sein kann. Dass dieses Verfahren gesetzeswidrig ist, müsste dem damaligen Gemeinderat klar gewesen sein, zumal drei Mitglieder beruflich mit Baugesuchen zu tun hatten, darunter der Mitinhaber eines regional bekannten Architekturbüros und die bereits erwähnte Gemeinderätin, eine Hochbauzeichnerin. Kommt hinzu, dass es sich um ein historisches Kulturgut von öffentlichem Interesse und um eine feste Baute im Dorfzentrum handelt und nicht um einen privaten Hühnerstall in einem Hinterhof.
 
Es kann nach meinem Rechtsverständnis gar keine rechtskräftige bzw. rechtsgültige Abbruchbewilligung geben und es stellt sich die Frage, weshalb der Oberamtmann dieses Vorgehen schützt. Er hat den Baustopp nämlich drei Stunden später wieder aufgehoben und dem Ehepaar Boschung gleich noch eine Strafgebühr in der Höhe von 300 Franken aufgebrummt!

Tragischerweise gab es gar keinen zwingenden Grund, das im Jahr 1919 erbaute Waaghaus wegen der verkehrsberuhigenden Massnahmen (Valtraloc) im Dorfzentrum abzureissen. Die Valtraloc-Fachleute haben bestätigt, dass keine Notwendigkeit bestand, es aus Sicherheitsgründen zu entfernen und dass man es ins Konzept integrieren könnte bzw. hätte integrieren können. Das hätte dem Willen der Bevölkerung entsprochen und das Waaghaus hat seine verkehrsberuhigende Funktion ja bis vorgestern ohnehin schon erfüllt.

Gemeindeammann Martin Moosmann und Oberamtmann Daniel Lehmann wollten gemäss einem Bericht der Freiburger Nachrichten vom 10. Juni 2020 zur Zerstörung des Waaghauses keine Stellung nehmen.

Sie werden sich erklären müssen. Wenn kein rechtsgültiges Abbruchgesuch vorhanden war, müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Villarepos hat sein Waaghaus verloren. Das hätte nicht passieren dürfen. 



 









Montag, 8. Juni 2020

Beharrliches Schweigen

Ergänzt am 12. Juni, erneut ergänzt am 2. Juli

Als die alte Kirche im Jahre 1984 abgerissen wurde, ist ein wesentlicher Teil des historischen Ortsbildes von Villarepos für immer zerstört worden. Um den Charakter des Dorfzentrums nicht noch weiter zu verschandeln, setzen sich verschiedene Einwohner dafür ein, neue Bauvorhaben daraufhin zu prüfen, ob sie sich optisch im Wesentlichen in das Dorfbild einfügen, und vorhandene Bauten zu bewahren. Hier seien beispielhaft die Erhaltung des Dorfbrunnens, des Waaghauses oder des Joe-Siffert-Hauses genannt. Durch Einsprachen und einen nicht unerheblichen finanziellen Einsatz vorerst verhindert werden konnte die Vernichtung der historischen Grünfläche im Zentrum durch den Bau von mehreren Mehrfamilienhäusern mit über 40 Aussenparkplätzen auf engstem Raum.

Die Einhaltung von Bauvorschriften einerseits und die dem Ortsbild angepasste optische Gestaltung andererseits wurde auch beim Baugesuch für das Grundstück 2652 angemahnt. Im Speziellen ging es hier unter anderem um den laut Ausführungsreglement zum Raumplanungs- und Baugesetz (RPBR) im Artikel 63 vorgeschriebenen Spielplatz sowie gartenbauliche Elemente, um den Anblick des grossen Parkplatzes, der im Vergleich zu den Vorgärten vieler anderer Häuser wie ein Fremdkörper wirkt, zumindest etwas zu kaschieren.

Doch anstatt die sachlichen Argumente der Einsprechenden ernst zu nehmen, wurde ihnen vom Kantonsgericht die Zahlung einer Entschädigung auferlegt, da sie keine Nachbarn und damit nicht einspracheberechtigt seien. Und das, obwohl es in der Einsprache um Sachmängel ging, die nichts mit dem persönlichen Interesse eines Nachbarn zu tun haben.

Und so wurde das Baugesuch gut geheissen und umgesetzt. Seit ein paar Monaten wird es nun bereits bewohnt, und wir fragten uns, warum weder der vorgeschriebene Spielplatz gebaut, noch die vom Kulturgüteramt geforderte Bepflanzung entlang der Strasse angelegt wurde. Schliesslich muss eine Bauabnahme stattgefunden haben, um eine Bezugsbewilligung zu erhalten. Dort hätten diese Mängel auffallen müssen.

Und so stellten wir genau diese Frage am 20. April dem Gemeinderat. In einer ersten kurzen Antwort teilte man uns mit, dass wir keinen entscheidenden Nachteil durch die Baubewilligung hätten, und daher Beantstandungen durch uns nicht gültig seien. Mit anderen Worten - ob Mängel vorliegen oder nicht, hat uns nicht zu interessieren. Immerhin sagte man uns zu, die Anmerkungen bei der Bauabnahme einfliessen zu lassen.

Doch halt - die Bauabnahme musste doch bereits stattgefunden haben, wenn doch das Haus schon bewohnt wird?! Also entweder hat man sich für das Verfassen der kurzen Antwort nicht einmal die Mühe gemacht, das Dossier anzuschauen, oder es gab bisher keine Abnahme und damit auch noch keine Bezugsbewilligung.

Darauf angesprochen, teilte man uns zwei Tage später lapidar mit, dass alle bei der Abnahme festgestellten Mängel grundsätzlich gerügt und korrigiert würden, ohne jedoch die konkrete Frage zu beantworten, ob die von uns erwähnten Sachverhalte im konkreten Fall angemahnt wurden.

Wir fragten daraufhin das Oberamt an, ob die Baute denn gesetzeskonform sei. Die Anfrage wurde jedoch auch dort nicht beantwortet, sondern einfach wieder zurück an die Gemeindeverwaltung geleitet. Von dort erhielten wir diesmal Anwort mit einem anderen Argument: Klassische Spielplätze seien im Gemeindebaureglement (GBR) von Villarepos nicht vorgesehen und müssten damit auch nicht erstellt werden. Die "Grünfläche" (die dann also einen Erholungsplatz darstellen müsste, um dem Reglement Rechnung zu tragen) entspräche den bewilligten Plänen.

Welche Grünfläche aber soll das sein?

Diese hier vielleicht?

Oder diese?


Mit dieser Frage konfrontiert, teilte man uns diesmal per Brief mit, dass man das Anliegen an das Oberamt und die Bauherrschaft geleitet habe. Von dort erwarten wir keine Rückmeldungen. Der Bauherr wird wohl kein Interesse daran haben, aufgrund einer Bürger-Anfrage auch nur einen Franken zu investieren, und das Oberamt kann sich auf die von ihm selbst bewilligten Pläne und die bereits durch die Gemeindeverwaltung erfolgte Bauabnahme zurückziehen. Damit wären wir dann wieder am Anfang.

Auf die ganz konkrete Frage, um welchen Artikel im von der Gemeindeverwaltung erwähnten GBR es denn gehe, erhielten wir gar keine Antwort mehr. Kein Wunder, denn einen solchen Artikel gibt es auch nicht. Ganz im Gegenteil - es wird im Reglement explizit darauf hingewiesen, dass die Grösse der Spielpätze für Kinder ausreichend sein muss.

Auf die Antwort sowie eine Auskunft zu den zur Anwendung kommenden Grundsätzen für die Erstellung von Spiel- und Erholungsplätzen bei Baubewilligungen entsprechend des RPBR warten wir nun seit 21. Mai trotz wöchentlicher Erinnerung vergeblich. Will oder kann man diese Fragen nicht beantworten? Das Schweigen wirft jedenfalls kein gutes Licht auf die Verwaltung und legt die Vermutung nahe, dass man bei diesem Thema wohl bisher nie so genau hingeschaut hat. Dieser Verdacht liesse sich nur entkräften, wenn es endlich eine sachlich begründete und nachvollziehbare Stellungnahme gäbe. Doch stattdessen - Schweigen.

Nun haben wir uns gestern an den Ammann gewendet, doch auch von dieser Stelle möchte man uns keine Antworten geben. Hier ein Auszug aus unserem Mail:

"Daher möchte ich gern - grundsätzlich - wissen, welche Anforderungen Ihre Verwaltung an die Erstellung von Spiel- und Erholungsplätzen lt. Art. 63 RPBR stellt. Wie wollen sie ohne eine solche Definition eine sorgfältige Bauabnahme durchführen? Diese Frage habe ich nun mehrfach gestellt - ohne Antwort, wie Sie gern dem Mailverkehr entnehmen können.

Im speziellen Fall wäre es natürlich interessant zu erfahren, ob der zweifellos fehlende Spiel- oder Erholungsplatz bei Bauabnahme gerügt wurde. Wenn Sie diese Auskunft nicht geben wollen, dürfen oder können, akzeptiere ich das. Festzustellen bleibt, dass diese bis heute nicht kultivierten Flächen rund um die erstellte Baute nicht einmal eine Grünfläche im eigentlichen Sinn und wie vom Oberamt genehmigt darstellt und damit zwischen den zum grossen Teil sorgfältig gepflegten Flächen der Häuser im direkten Umfeld sehr unansehnlich wirkt. Es sollte doch im Interesse auch der Gemeindeverwaltung sein, dass der Bauherr seinen Verpflichtungen aus der Baubewilligung nachkommt. Wäre das nicht Aufgabe der Baupolizei?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu beitragen könnten, die offenen Punkte zu klären. Dies auch im Hinblick auf zukünftige Baugesuche, bei denen ähnliche Fragen dann erst wieder durch Einsprachen zu klären wären."

Die lapidare Antwort vom Ammann: 

"Betreffend der Grünflächen und der Einsicht in Pläne haben sie meines Erachtens bereits diverse Antworten erhalten ... [] Ich kann mich nicht weitergehend dazu äussern und lasse die zuständigen Gemeinderäte ihre Arbeit in diesen Dossiers tun."

Es wird also weiter geschwiegen, konkrete Fragen werden einfach nicht beantwortet. Stattdessen schiebt man die Verantwortung hin und her und hofft wohl, wir würden irgendwann verstummen.

Am 12. Juni nahm nun auch die Baupolizei Stellung zu unserer Frage. Dass die Antwort trotz der Zweisprachigkeit von Courtepin auf Französisch erfolgte - geschenkt. Jedoch hatten wir gehofft, nun endlich eine Antwort zu erhalten.

Leider wurden jedoch lediglich die unbelegten Aussagen wiederholt, dafür in einem schroffen und vorwurfsvollen Ton. Diese Teile der Mail werden hier nicht wiedergegeben, denn es geht um die Sache.

Zitat:"Lors de nos derniers échanges, il vous a clairement été indiqué par notre collaborateur, que le RCU de Courtepin secteur Villarepos, ne prévoit pas de spécification concernant une obligation de l’installation de places de jeux." Zitat Ende. Unsere Frage dazu lautete, wo genau das im Reglement festgelegt sein soll - darauf keine Antwort!

Zitat: "Il n’est pas de votre « devoir » comme vous le mentionnez à plusieurs reprises, de contredire la manière dont les habitants titulaires de permis de construire, doivent créer leur places d’agrément ou places de jeux.
Dans le cas de la construction de l’article 2652, le contrôle a eu lieu et les éléments y relatifs ont été émis." Zitat Ende. Mit anderen Worten - der Acker auf dem Bild oben ist ein von der Baupolizei abgenommener Erholungsplatz.

Man kann nur hoffen, dass sich niemand die Füsse bricht, wenn er ihn betritt. Aber falls Sie mal einen Erholungsplatz lt. Gesetz bauen müssen, wissen Sie nun, was Sie dafür tun müssen - nämlich einfach nichts: Baugrube zuschütten und fertig ist der Erholungsplatz.

So werden also Gesetze in Courtepin ausgelegt und konkrete Fragen mit allgemeinen, nicht belegten Aussagen beantwortet.

Mittlerweile sind wir im Juli, und nachdem das Oberamt auf Nachfrage zunächst bereitwillig mitteilte, dass die wunderschöne Grünfläche durchaus den Anforderungen entspreche, jedoch darauf verwies, dass das von uns zitierte GBR von Villarepos nicht mehr gültig sei, hat man sich nun scheinbar der Mauer des Schweigens angeschlossen, nachdem wir auf die Urteile von Kantons- und Bundesgericht hinwiesen, die etwas Anderes aussagen (wen es interessiert: Kantonsgericht mit Urteil 602 2017 130 und 602 2017 132, Bundesgericht mit Urteil 1C_427/2018). Es sähe ja auch nicht gut aus, wenn man zugeben müsste, Baubewilligungen auf Basis nicht rechtskräftiger Reglemente getroffen zu haben.

Trotzdem werden wir weiter nachfragen, bis wir eine Antwort erhalten haben.


Sonntag, 1. März 2020

Der Dorfbrunnen von Villarepos im Rahmen von VALTRALOC

Dieser kurze Rückblick auf die Geschichte der letzten 50 Jahre des Dorfbrunnens von Villarepos decken auf, dass der Strassenbau für dieses altehrwürdige bauliche Kulturgut stets eine Bedrohung darstellte. Schädlich wirkte sich bei diesen Arbeiten jeweils auch die damit verbundene Erhöhung des Strassentrassees aus.


Die neuesten Bauvorhaben im Rahmen von VALTRALOC bestätigen diese Regel. Deshalb muss heute alles getan werden, den Brunnen nicht nur zu erhalten, sondern seinen Wert zur Geltung zu bringen und ihn weiterhin für Mensch und Tier zur frohen Begegnung werden zu lassen. Auf diese Weise werden auch alle bisherigen öffentlichen und privaten Engagements für den Schutz des Brunnens honoriert.

Zum besseren Verständnis unserer Forderungen begleiten einige  Details und Besonderheiten die nachfolgende geschichtliche Zusammenfassung.


1943   

Die Gemeindestrasse ist noch nicht asphaltiert. Die Naturstrasse vor dem Brunnen gibt die Brunnenbecken ganz frei.



Der Brunnenstock und das grosse Becken  werden erneuert. Für das grosse Becken kommen zwei Möglichkeiten in Betracht: a) das bisherige Becken erhält einen Betonüberzug (d.h. dass sich unter dem Betonkleid noch das alte Becken aus Muschelkalk befindet, oder b) das Becken wird an Ort und Stelle mit Beton aufgebaut.
Das Bild macht die Erneuerung von Brunnenstock und Betonbecken deutlich.


1943 bis 1997

Die Gemeindestrasse bekommt eine neue Linienführung und wird asphaltiert.
Das Trassee der Strasse wird angehoben, was zur Folge hat, dass der untere Teil des Beckens von 1794 unter den Boden zu liegen kommt und dass die Inschrift am Becken teilweise überdeckt wird. Dieser Schaden wird offenbar widerstandslos hingenommen und bleibt unbeachtet bis 1997.



1998

Auf Anregung der neuen Eigentümer des maison du charron (Boschung) nehmen die Gemeinde und Boschung gemeinsam, unter Kostenaufteilung, die Neugestaltung des Brunnengeländes und des Hausplatzes vor. Zu Lasten Gemeinde fallen die 48 m2 um den Brunnen mit den 2 Bäumen unterhalb des Brunnens (ca. CHF 5‘000), zu Lasten Boschung der Vorplatz des maison du charron mit den 2 Bäumen oberhalb des Brunnens (ca. CHF 16‘000).

Anlässlich dieser Neugestaltung entfernt die Gemeinde ein drittes kleineres Becken, das wahrscheinlich in den 50er oder 60er Jahren am Becken von 1943 angefügt worden war, aus welchen Gründen auch immer.  Diese Räumung erscheint zwar bedauerlich, kann aber insofern hingenommen werden, als sich auf den überlieferten alten Plänen stets nur 2 und nicht 3 Becken vorfinden.

Bei der Neugestaltung kamen am ersten Becken die Raute, die Initialen I und F sowie die Jahreszahl 1794 zum Vorschein. Um dieses ganze Relief zu schützen, wurde die umgebende Pflastersteinfläche nicht bis satt an das Becken verlegt, sondern mit einem Abstand von einigen Zentimetern. Hingegen blieb die Höhe der Pflasterung
mit Tegula-Roma-Steinen auf Strassenhöhe, was für Mensch und Tier einen einladenden und kommoden Zugang zum Brunnen von der Strasse her und rund um den Brunnen erlaubt. Den Übergang von der Pflasterung zur Strasse bildet eine Reihe Kopfsteinpflaster, die bis zum gegenwärtigen Eingriff bestehen blieb.



1998 bis 2010

Vor 1994 und bis 1998 besorgen die Bewohner des maison du charron (Boschung) die Pflege des Brunnens. Der Einbau einer Rohrleitung für das Überwasser wird privat finanziert. Nach der Erneuerung von 1998 geht die Brunnenpflege an die Gemeinde über. Diese Aufgabe wird zunehmend vernachlässigt und in den Jahren 2007 und 2008 fällt sie fast völlig aus. Der Brunnen gibt ein desolates Bild ab.



An der Gemeindeversammlung vom Dezember 2008 schlägt der Gemeinderat den Abbruch des Brunnens vor und beantragt dafür einen Kredit von CHF 6500 ins Budget 2009 aufzunehmen.

2009 schreiben die Brunnenfreunde: "Dans le cadre du projet VALTRALOC, les auteurs proposent la réalisation d’un obstacle de circulation accompagné d’un passage de piétons entre la fontaine et la place devant le cimetière. Cela garantirait d’une part la sécurité des piétons et représenterait une liaison idéale et souhaitée entre la place de la fontaine et la future place du village."



2010 bis 2014

Die Jahre sind gekennzeichnet durch ein langes Seilziehen zwischen Gemeinderat und Brunnenfreunden. Schwerpunkte:
- Petition der Freunde mit über 200 Unterschriften (2009),
- Gründung der Vereinigung der Freunde des Brunnens (2010),
- Aufschub des Brunnenabbruchs,
- Übernahme der Brunnenreinigung durch Boschung, bis 2015,
- Unterschutzstellung des Brunnes durch das KGA,
- Aufnahme des Brunnens ins Verzeichnis der geschützten Kulturgüter der Gemeinde,
- Aktivitäten, Publikationen und Sammelaktionen des Vereins der Brunnenfreunde usw.


2014

Restauration des Brunnens durch die Brunnenfreunde. Finanzierung (ca. CHF 45‘000 dank Sammelaktionen und Mitgliederbeiträgen). Schwerpunkte:
- Totale Freilegung der Becken und Inschriften;
- Renovation des Beckens von 1794 und Erleichterung der Zugänglichkeit dank dem Einbau einer kleinen Stufe zwischen dem Becken von 1794 und der Strasse;
- Einbau einer Sickerleitung strassenseitig, abgedeckt mit Natursteinen;
- Brunnenstock aus Muschelkalk;
- Sanitäranlage: Schacht mit Ventil für Zufuhr Quellwasser, Brunneneinlauf aus Messing, Überlaufventile aus Messing usw.
- Trinkwasserzufuhr mit Schacht und Ventil.

Über- bzw. Rückgabe des renovierten Brunnens an die Gemeinde. Pflege und Unterhalt des Brunnens gehen wieder an die Gemeinde.



2015

Die Gemeinde verlängert die Leitung für das Überwasser des Brunnens bis zum Ruisseau du Grassey.


2019/2020

Die vor wenigen Tagen Im Rahmen der zweiten Etappe VALTRALOC strassenseitig begonnen Arbeiten beeinträchtigen den Wert des Brunnens, seine Integration ins Dorfzentrum und den freien und zwangslosen Zugang massiv.

So nicht! - meinen wir und beatragen die unverzügliche Neuplanung dieses sensiblen Strassenabschnitts. Unverständlich sind für uns auszugsweise:

- die Ersetzung der bisherigen bestehenden Kopfsteinpflästerung zur Markierung des Strassenrandes, mit einer überhöhten Reihe Betonriemen;
- die Verdeckung der Inschriften am alten Becken;
- die Entfernung der 2014 eingebauten Sickerleitung;
- die Erschwerung, wenn nicht das Verunmöglichen des Zugangs zum Brunnen und die Erhöhung der Gefahr für Kinder;
- der Einbau einer Reihe von geschnittenen Granitstelen unmittelbar vor dem Brunnen; sie vertragen sich nicht mit dem Muschelkalk des Brunnens und machen überhaupt keinen Sinn;
- die Zu- und Ausfahrt der Parzelle 2051 (Boschung) und die Bedienung des Briefkastens entbehren jeglicher Logik.

Aus diesen Gründen müssen diese Arbeiten neu geplant werden. Dabei ist darauf zu achten, dass Brunnen, Strasse, Privatgrund und Begegnungszone miteinander in Einklang gebracht werden, über sture Abgrenzungen hinweg, so wie dies 1998 der Fall war. Sachverständige und Spezialisten müssen angehört werden.