Montag, 15. Juni 2020

Eine weitere Todsünde in Villarepos




Von Beatrice und Franz Boschung


Nach dem Abbruch der Kirche im Jahre 1984 ist am 9. Juni 2020 das 101jährige Waaghaus bei einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ zerstört worden, obwohl seit November 2019 (gemäss dem zuständigen Gemeinderat) sieben Einsprachen hängig sind.

Am 22.7. 2016 hat die damals noch selbständige Gemeinde Villarepos das Projekt VALTRALOC 2 öffentlich aufgelegt, in dem ersichtlich ist, dass das Waaghaus auf dem Plan fehlt. Wir haben gegen dieses Baugesuch am 20.8.2016 Einsprache eingereicht, und beantragt, die Verkehrsmassnahmen dahingehend zu überdenken, den Fortbestand des Waaghauses zu garantieren.

Am 1.1.2017 fusionierte Villarepos mit Courtepin. Die neue Führung beabsichtigte, sofort mit dem Strassenbau zu beginnen, was jedoch wegen unserer  Einsprache nicht möglich war. Daher schlug man uns vor, das Waaghaus zu erhalten und es auf eine Parzelle vor dem Friedhof zu verschieben. Damit waren wir einverstanden, zogen unseren Rekurs zurück und unterzeichneten am 4.3.2017 diese Vereinbarung mit der Gemeinde. Aus unserer Sicht war das Waaghaus gerettet. Wie hinterhältig der Gemeinderat schon damals war, wird uns erst jetzt bewusst. Eine Verschiebung kam wohl, schon rein aus Kostengründen, nicht in Frage, zudem war die Gemeinde offensichtlich im Besitz der Abbruch-Bewilligung von 2016, die bis zum Abbruch-Tag am 9. Juni 2020 verschwiegen wurde. Dieser Vertrag war demzufolge eine reine Alibi-Übung.

Das Waaghaus figuriert seit 2013 im Inventar der geschützten Bauten. Am 28.1.2016 fand eine Sitzung betreffend VALTRALOC 2 mit den betroffenen Behörden statt. Das Protokoll der Sitzung liegt vor. Unsere Recherchen ergaben, dass am selben Tag das Waaghaus vom KGA ex cathedra aus dem Inventar der geschützten Bauten gestrichen wurde. Somit war für den Gemeinderat von Villarepos klar, dass das Waaghaus abgerissen werden konnte. Eine entsprechende Abbruch-Bewilligung, die nie ausgeschrieben war, ist erteilt worden. Wer hat sie beantragt und wer hat sie genehmigt?

Monatelang hat uns der zuständige Gemeinderat von Courtepin versichert, dass man die Versetzung des Waaghauses gemäss Vertrag einhalte und das Waaghaus lediglich in Courtepin in ein Zwischenlager gebracht werde. Er sei schliesslich ein ehrlicher (!) Mensch. Wenn jemand solches von sich selber sagt, darf gezweifelt werden.

Von Seiten des Büro VALTRALOC wurde sogar eine Lösung vorgeschlagen, die es ermöglicht hätte, ohne grosse Baubewilligung das Waaghaus an seinem Platz belassen zu können. Womit Verschiebungskosten hätten vermieden werden können.

Courtepin wollte nicht. Die Ausschreibung für die Verschiebung erhielten sieben Anwohner. Gemäss einem Telefongespräch mit dem ehrlichen Gemeinderat sollen sieben Einsprachen eingegangen sein, die sich alle, ausser dem Ehepaar Boschung, für einen Abbruch ausgesprochen hätten, der ja gar nicht zur Debatte stand. Nach unseren Recherchen kann die Anzahl Einsprachen nicht stimmen, oder der ehrliche Gemeinderat hat sich verzählt. Fragen drängen sich auf: Könnte ein ehemaliges Gemeinde¬ratsmitglied  von Villarepos, das 2016 im Amt war, via Einsprache die Gemeinde auf die ominöse Abbruch-Bewilligung hingewiesen haben, da ja gemäss dem ehrlichen Gemeinderat alle Einsprechenden für einen Abriss gewesen sein sollen? Eigentümlich auch, dass der letzte Gemeindepräsident von Villarepos, der 2016 im Amt war, den Abbruch mitverfolgte, wo doch niemand Kenntnis davon hatte?

In der Woche vor dem Abbruch bekamen wir telefonisch einen Hinweis, dass der Abbau für die Verschiebung bevorstünde. Auch besichtigten zwei Personen mit einem Gemeindeangestellten das Innere des Waaghauses, resp. das Dach. Am Montag, 8. Juni erkundigten wir uns beim ehrlichen Gemeinderat telefonisch. Er wollte uns das Datum der Verschiebung nicht mitteilen, sagte lediglich „in den nächsten Tagen“. Obwohl  die Einsprachen für die Verschiebung noch hängig waren, handelten wir sofort. Aber es war bereits zu spät.


Am Morgen des 9. Juni stand der ehrliche Gemeinderat inklusive Bauingenieur auf der Baustelle und gab den Befehl zum Abbruch, nicht zum Abbau, wie so oft versprochen. Ohne Erfolg versuchten wir mit Polizei und Baustopp die Zerstörung zu verhindern. Es war aussichtslos, denn der Polizei wurde die Abbruch-Bewilligung von 2016 unterbreitet.

Bis zu diesem traurigen Tag hatten wir keine Kenntnis von dieser Abbruch-Bewilligung. Auch wurden die noch hängigen Einsprachen betreffend Verschiebung von der Gemeinde Courtepin bis heute nicht beantwortet! Gemäss dem ehrlichen Gemeinderat werden diese beantwortet, sobald das Waaghaus weg sei.

Es war zum Weinen, zusehen zu müssen, wie dieses hübsche Häuschen durch Strassenbauarbeiter, die nicht in der Lage sind, ein Haus abzubauen und zu versetzen, in Stücke ge¬schnitten wurde, wie die Teile auseinanderfielen, zum Schein auf einen Camion verladen wurden, und wie der ehrliche Gemeinderat  Fotos machte, wohl für den versprochenen Wiederaufbau.(!) Nach dem kurzfristigen Baustopp gab der Oberamtmann grünes Licht zum endgültigen Abbruch. Die restlichen Mauern, die noch standen, wurden jetzt erst recht dem Erdboden gleich gemacht. Ob der Oberamtmann Kenntnis der hängigen Einsprachen hatte, sei dahingestellt.

Wer, wie wir, das Kulturgut unserer Vorfahren ehrt und schätzt, kann die Leere in unseren Herzen verstehen, die ebenso gross ist wie diejenige auf dem Dorfplatz von Villarepos.

Wie recht hat doch Friedrich Schiller in seinem Lied von der Glocke:

„Gefährlich ist‘s, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn,
Doch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn“.





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